Interessengemeinschaft zur Förderung der Elektromobilität im Unterallgäu
 
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rein-elektrische Pilgerfahrt nach Santiago de Compostela
 
Mit dem E-Motorrad auf dem Pilgerweg nach Santiago de Compostella und Finisterre


Die Route sollte uns über Freiburg, durchs Burgund, dem Rhonetal, Okzitanien nach Lourdes, anschließend über die Pyreneen, Pamplona, Burgos und Leon nach Santiago de Compostela führen. Das Ziel war jedoch weitere 75 km bis zur Atlantikküste der Ort Finisterre, im Früh-Mittelalter das Ende der Welt.
Meine Reisevorbereitungen begannen jedoch bereits im Dezember 2017 als ich mein Motorrad mit einer Schnellladeerweiterung => Link ausrüstete, weil ich mit der ZERO-S irgendwann einmal den Camino bis zum Ende an der Atlantikküste befahren wollte.
Die Strecke von 2200 km mit einer Reichweite von 120 bis 180 km je Ladezyklus => Link zurückzulegen, erforderte unbedingt eine schnellere Lademöglichkeit, als die mit der die Maschine vom Hersteller ausgestattet wurde. Im Januar 2020 dann erfuhr ich zufällig, daß IFEU-Mitglied Gerhard den gleichen Gedanken hatte und so war der Beschluss gefasst, dies im Sommer durchzuführen.
Akribisch planten wir die zeit-, geschwindigkeits- und verbrauchsoptimierte Fahrweise, die rechnerisch bei 70 bis 80 km/h und 2 bis 4 täglichen Ladungen lag.
Am 12. Juli frühmorgens ging es los. Von links nach rechts: Thomas, in der Mitte Clemens, rechts mit der Schirmmütze Gerhard. Auf geht‘s in ein echtes Männerabenteuer.
Es ging über Sigmaringen nach Freiburg, wo wir während der Ladepause zu Mittag aßen. Abends suchten wir uns einen kleinen Campingplatz aus, mitten im französischen Burgund und idyllisch an einem Bach gelegen bei der Stadt Villersexel.
Der nächste Morgen führte uns nach wenigen Kilometern erst einmal zu einer Boulangerie, um etwas weniger idyllisch, dafür aber mehr kulinarisch, ein Frühstück zu uns zu nehmen. Am späten Vormittag erfolgte der erste Ladestopp auf französischem Boden mit dem ernüchternden negativen Ergebnis, dank einer nicht funktionierenden Ladesäule, also gaaanz langsam weiter bis nix mehr ging und der Akku komplett leer war. Glücklicherweise hatten wir vorgesorgt und unser Support-Fahrzeug dabei, gesteuert von Clemens.

Das Wetter war immerhin auf unserer Seite, das Abendrot am Fluß dazu „wirklich herrlich“. Es wurde immer wärmer, kein Wunder, wir waren ja auch nach Süden unterwegs und am Abend auf geografischer Höhe Mailand / Genua
Der nächste Tag führte uns streng westwärts,
hier Clemens und ich bei einem Frühstücks-Zwischenstop, und dann am Vormittag über eine Vulkankette hinweg, aber auch an diesem Tag hatten wir wirklich Pech mit den Lademöglichkeiten. Obwohl wir 3 Ladepunkte ansteuerten, gelang es uns nicht auch nur eine einzige funktionierende Ladesäule zu entdecken.
Eine war unauffindbar, die Zweite noch nicht montiert - nur ein Leerrohr schaute seit Jahren aus dem Boden, sogar Gras wuchs schon auf dem Beton;  die letzte Lademöglichkeit stellte sich als recht merkwürdiger Stecker mitten in einem gelben M eines Fastfoodrestaurants heraus - ungewöhnlich, unvertrauenswürdig und letztlich unbrauchbar. Also die Bikes schon wieder einladen und in den nächsten großen Ort, an dem ein Supermarché mit Ladesäule vorzufinden war. Dort tankten wir kostenlos unsere Maschinen elektrisch auf. Wir brauchten randvolle Akkus dringend, denn nun ging es 150 km durch eine wahre Ladesäulenwüste an mittelalterlichen Burgen vorbei, über Hügel durch atemberaubende Landschaften und Täler auf kurvigen Straßen, ein Genuß zum Motorradfahren.
Tag 4 brachte auf unserer Etappe am frühen Vormittag eine Überraschung, als wir Cahors verliessen und nach knapp 2 Stunden das erste Mal an diesem Tag luden, dabei auf Anhieb eine voll funktionierende Ladesäule trafen. Eine Ladesäule, die zwar zischte und brummte, aber tat was sie tun sollte, nämlich laden. Dabei führte das Hochspannungskabel an der Dachrinne eines Gebäudes entlang und dann das Fallrohr hinunter zur Ladesäule. Etwa 130 km weiter, an einer Peugeot Werkstätte mit zwei nigel-nagelneuen Ladepunkten, sah das wieder anders aus.
Nach wenigen Minuten schaltete diese nämlich immer wieder unvermittelt ab. Wir gaben letztlich auf und fuhren mit knapp 15 restlichen Kilometern weiter. Die nächste Säule hatte einen Ausfall beim Bezahlsystem per Scheckkarte, naja. Eben wieder einladen und weiter nach Lourdes auf vier Rädern. Ohne Begleitfahrzeug wäre man in Frankreich echt aufgeschmissen gewesen. Die Zahl der defekten Ladesäulen auf unserer Strecke war größer als die der funktionierenden.

Im erschreckend leeren Lourdes, wo wir kurz hielten, war ganz wenig Andrang. Clemens meinte, er hätte den Platz hier noch nie so menschenleer erlebt. Keine Wartezeit am Eingang, sogar freie Platz in den Bänken, obwohl nur jeder dritte Platz belegbar war und dazwischen 2 Plätze coronabedingt markiert waren.
Noch am selben Nachmittag ab über die Pyreneen nach Spanien - über den Wolken ist die Freiheit noch wirklich grenzenlos.

Die nächste Morgen auf dem Campingplatz war kühl, aber auch kein Wunder, wir lagen weit über 1000m Meereshöhe und schraubten uns weiter hoch über den Paß in Richtung spanische Grenze. Von dort ging es schön bergab und wir luden während der Fahrt unsere Akkus wieder auf, sodaß wir eigentlich in Jaca gar nicht laden hätten müssen, aber die nächste Lademöglichkeit war wieder zu weit weg, um es ungeladen zu schaffen. In Jaca steht übrigens eine berühmte Zitadelle, das Luftbild haben wir abfotografiert, denn fliegen können wir nicht in der Luft, nur mit zwei Rädern auf der Straße. Das Klima wurde jetzt deutlich trockener und heißer. Die Route führte an Aragon vorbei entlang des türkisblauen Stausees nach Yesa. Die zweite Ladestation in Spanien und zugleich die einzige Lademöglichkeit dort weit und breit war - wir ahnen es schon - defekt. Übrigens auch die einzige auf der iberischen Halbinsel, die uns keinen Strom geben wollte. Also den Stier bei den Hörnern gepackt, die Motorräder verladen und weiter nach Westen.
In einer Pilgerherberge durften wir unsere Motorräder abends sogar in die Küche 
schieben, um dort über Nacht zu laden. Die Stromversorgung des ganzen Hauses bestand nur aus einem einzigen Stromkreis mit einer 15A Sicherung. Zwei Motorräder gleichzeitig laden ging gar nicht, nachdem mehrmals die Sicherung flog, beschlossen wir also mitten in der Nacht aufzustehen und umzustecken.
Am nächsten Morgen starteten wir schon kurz nach 7:00 Uhr und erreichten Burgos vor 9:00 Uhr für unseren ersten Ladestop. Dieser fand an einer nagelneuen Ladesäule im Parkhaus des Nationalmuseums statt; wir waren die Ersten die dort jemals luden, was mit Hilfe des Hauselektrikers und einem mechanisch überbrückten Ladeschütz nach einigen Minuten auch gelang, sogar kostenlos.
Zu Mittag luden wir an einer Raststätte an der Autobahn in der Nähe von Sahagun auf. Die Hitze hier in Spanien war enorm, sodaß wir unsere zusätzlichen externen Ladegeräte vorsichtshalber unter das Begleitfahrzeug in den Schatten stellten.
Die Lüfter liefen auf Hochtouren bei 38°C Aussentemperatur. Nach einem üppigen Mittagessen führte uns die letzte Etappe des Tages in den berühmten Pilgerort Rabanal del Camino.
Wir übernachteten in der Albergue el Pilar 
mit einem nostalgische Innenhof  und einer Bar mit Geldscheinen, Aufklebern und allerlei Devotionalien aus aller Herren Länder. Wir besuchten bei dieser Gelegenheit Padre Pio, einen ehemaligen Lehrer von Gerhard.
Die Stromversorgung diese Nacht war viel viel besser, als bei der letzten Herberge, wir konnten gleichzeitig problemlos über Nacht laden, denn am nächsten Tag führte die Route noch einmal hoch über ein Mittelgebirge.

Bei herrlichem Sonnenschein ging es morgens los den Pass hoch, man glaubt gar nicht, daß Spanien solche Höhenunterschiede auf dem Camino zu bieten hat, aber das Höhenprofil hier stimmt ganz genau. Von 1640 Metern an der französisch-spanischen Grenze, bis hinunter auf 350 Meter und wieder hoch zum Foncebadón auf 1504 Meter war alles dabei.
Oben angekommen, am Cruz de Ferro, ist es Pilgertradition einen mitgebrachten Stein über seine Schulter zu werfen und mit einem Anliegen zurück zu lassen.
Im Laufe der Jahre hat sich so ein enormer Steinhügel angehäuft in dessen Mitte ein hoher Holzmast mit einem eisernen Kreuz an der Spitze trohnt.
Kurz vor Santiago, man kann die Stadt schon vom Höhenzug aus in der Ferne erkennen, durchfuhren wir den kleinen Ort el Acebo, das letzte malerische Pilgerdorf auf dem Camino. Anschließend luden wir wieder unsere Motorräder ein. Die Akkus waren zwar noch nicht leer und es ging auch ständig bergab, schließlich liegt das Ziel der Pilger auf 250 Metern über Meereshöhe aber wir verluden dennoch, damit wir alles sicher für den Besuch in der Stadt gesichert hatten, da wir doch mehrere Stunden durch die Gassen bummeln wollten und natürlich auch die Kathedrale besichtigten. Es war coronabedingt sehr wenig los, den Platz sieht man selten so unbevölkert.
Ach ja, unsere Schuhe waren auch nicht durchgelatscht, wir fuhren ja mit dem Motorrad den Pilgerweg. Leider fanden an der Kathedrale gerade Renovierungsarbeiten statt, sodaß wir auch das weltberühmte riesige Weihrauchfass nicht pendeln sehen konnten. Noch am selben Abend machten wir uns auf den Weg zur letzten Etappe nach Finisterre, das Ende der Welt liegt weitere 75 km westwärts an der Atlantikküste Spaniens.
Die Fahrt ging über einen Meeresarm bei Taramancos immer weiter nach Westen.
Am Kap angekommen zeigte sich das absolute Ende des Pilgerwegs von seiner blendend sonnigsten Seite. Auch das imposante Leuchtturmgebäude stand alles andere als einsam in der Landschaft. Es war nämlich Samstagabend und gefühlt war halb Spanien unterwegs, ein Rummel, den wir gar nicht mehr gewohnt waren.
Hier fand sich der letzte Pilgerstein mit dem charakteristischen Symbol der Jakobsmuschel in den Strahlen der untergehenden Abendsonne. Solche Pilgersteine oder manchmal auch nur das Symbol selbst begegnet einem auf dem ganzen Weg immer wieder.
     
Auf einem anderen Felsen nahe der Klippe findet sich dieser Pilgerschuh in Bronce, da hier die Pilger früher ihre Pilgerkleidung verbrannten oder über die Klippe ins Meer warfen, um symbolisch mit der Pilgerreise abzuschließen und wieder ins weltliche Leben zurück zu kehren.
Davon war ausser ein paar kläglichen verkokelten Stoffresten heute nix zu erkennen, nur die Sonne wärmte mit letzter Kraft die Besucher, die alle sehnsüchtig aufs Meer hinaus blickten.
Die kleine Insel ist übrigens ein einziger Fels, der gerade noch ein paar Meter aus dem Meer herausragt und ein allzu beliebtes Fotomotiv abgibt, bevor die endlose Weite des Atlantiks alles zu verschlucken scheint.
Wir beendeten unsere Pilgertour hier an diesem Ort und traten den Rückweg nach Hause auf 4 Rädern an, einen Pilgerstab, wie hier auf dem Verkehrsschild, hatten wir eh nicht dabei gehabt, aber wir waren ja auch nicht zu Fuß, sondern rein-elektrisch mit den Motorrädern unterwegs.
Unser Trip: Eine Woche lang, 2150km einfache Strecke mit zahlreichen Unwägbarkeiten, die - hätten wir kein Begleitfahrzeug dabei gehabt - wohl dazu geführt hätte, daß wir mindestens einen oder zwei Tage länger gebraucht hätten.
Ach ja, eines noch: Im Oktober erreichte mich ein ganz offiziell anmutender Brief mit einer schönen französischen Flagge, in welchem geschrieben stand, daß ich am französischen Nationalfeiertag statt der erlaubten 80 km/h unglaubliche 81 km/h gefahren sei. Das kostet stattliche 45.- Euro. Die habe ich übrigens gern überwiesen, weiß ich doch, daß der französische Verkehrsminister das Geld dringend gebrauchen kann, um den Ausbau der Ladeinfrastruktur voranzubringen.

Ich denke dem gibt es nichts mehr hinzuzufügen. Frankreichs Ladeinfrastruktur ist eine wahre Katastrophe. Das sollte eine Grande Nation, die gerne von sich vollmundig plakativ behauptet, führend im Ausbau der Elektromobilität zu sein, wahrlich besser !

Thomas Scharpf                                Bilder: Clemens Plebuch, Gerhard Birkle38E04614-D508-4D3A-AB92-0755DCF661CD.htmlD6CDEB18-BD93-4BD2-ABC1-22821415BAC5.htmlshapeimage_2_link_0shapeimage_2_link_1
Sonntag, 12. Juli 2020
mit dem Elektro-Motorrad über 2000km auf dem Camino nach Santiago de Compostela und Finisterre
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