Vorgeschichte
Nach vier Jahren, seitdem ich meine Zero S besitze, wuchs in mir der Wunsch, meinem E-Motorrad eine Schnelllademöglichkeit zu spendieren.
Das kann ich besser !
Das Projekt: „Supercharger - Pimp my Zero“ war geboren.
Es galt folgende Ansprüche unter einen Hut zu bringen:
• Lademöglichkeit an Typ 2
• 3-phasiges Laden
• AC-Einschaltstrombegrenzung zum Schutz gegen FI-Auslösung der Ladesäule
• integriertes Ladekabel mit 2,5 Metern
• regulierbare Ladeleistung in Stufen
• exakte Einhaltung der Ladeschlussspannung zur Schonung der Akkus
• optisch-akustische Kontrolle beim Start des Ladevorgangs
• Absicherung der Ladegeräte
• Betriebskontrollleuchten aller Lader unsichtbar integriert
... und das Alles zu bezahlbaren Kosten, denn bei einer geschätzten Nutzung bis zum Betriebsende meiner Zero S von etwa 500 Schnellladungen (was dann letztlich einem Kilometerstand von 100.000 km entspricht) möchte ich einfach bei dieser Investition umgerechnet nicht mehr als einen Euro mehr pro Ladung ausgeben, was das Limit auf 500.- Euro für den Ausbau begrenzte.
Planung
Die Planung des Vorhabens begann im Herbst 2017, denn ich wollte das Projekt im Winter 2017 durchführen, da ich als Schönwetterfahrer mein Bike nicht bei Regen, erst recht nicht bei Schnee, nutze.
Der Ladestrom konnte am Trenn-Schütz des Akkus zum Lader gemessen werden und betrug bei komplett leerem Akku (siehe Bilder) Ilade = 11,9 A und verringerte sich während des etwa 9-stündigen Ladevorgangs durch den internen Lader auf 0,3 A zum Ende. Da dies dabei jedoch nahezu zu einem vollständigen Blindstrom führt, kann geschlossen werden, daß das Batteriemanagement des Akkus nach Erreichen der Ladeschlussspannung lediglich nur noch einen winzigen Strom zur Erhaltungsladung oder nur zum Betrieb der Ladeelektronik selbst benötigt. Auch der Eigenverbrauch des noch immer nicht örtlich aufgefundenen Laders der Zero dürfte zu obigem Wert beitragen. Die gemessene Ladeschlussspannung liegt exakt um 0,2 Volt unter dem von Zero empfohlenen Wert von 116,4 Volt, was auch mit einem Messfehler meines auf 0,3 % genau geeichten Messgerätes erklärt werden kann.
Nach weiteren 2 Stunden Demontage sämtlicher weiterer Anbauteile der Maschine fanden sich der Zugang zur Kaltgeräte-Steckdose, dem Trenn-Schütz, dem 12V DC Netzteil und den 4 Stück Meanwell Schaltnetzteilen des Typs HLG 320H-54A, welche sich ganz unten oberhalb des Bodenblechs der Maschine je 2x in Reihe geschaltet und dieser Block dann parallel geschaltet, verbaut befanden.
Ja, richtig gelesen, es handelt sich um 4 Netzteile, die je nur nominal 54V bei 6A liefern. Die Beschaltung ist aussergewöhnlich, ich selbst hätte niemals zwei Schaltnetzteile in Reihe geschaltet, sondern gleich Netzteile mit entsprechender Sekundärspannung eingesetzt.
Einkauf der Bauteile
Mit diesen Informationen konnte ich mich nun auf die Suche nach passenden Schaltnetzteilen machen.
Fündig wurde ich bei Meanwell mit dem Modell PDR 1000-110 zu 435.- Euro mit der ungenügenden Ladeleistung von 1 kW bei nominal 110V oder dem Modell PFC RST 10000-48 mit Drehstromanschluß und 9,6 kW bei 48V nominal zum Preis von 1180.- Euro. Somit stand fest, das mit Meanwell kann man vergessen.
Glücklicherweise stellen asiatische oder indische Firmen auch sehr zuverlässige Netzteile her und sind dabei auch noch - wen wundert‘s - wesentlich günstiger.
Ich bestellte mir ein 1,0 kW 110V Schaltnetzteil eines chinesischen Herstellers für 67,50 USD zzgl. 71.- USD Versand und ein 1,2 kW 110 V Schaltnetzteil eines indischen Lieferanten für 92.- USD zzgl. 70.- USD Versand. Dann galt es noch zwei Schalter zur unabhängigen Inbetriebnahme der Lader, 3x2,5 qmm Gummikabel primärseitig, den Typ 2 Stecker ladeinfrastrukturseitig und die 3 Meter 5x2,5 qmm Gummikabel dazu, sowie Kabelschutzgeflecht, zwei Schütze und eine simple Zeitverzögerung zu kaufen. Diese zusätzlichen Bauteile machten zusammen knapp über 35.- Euro aus. DIe Tube Zweikomponentenkleber kam auf 8,95 Euro.
Zusammen mit Einfuhrzoll hatte ich 481,68 Euro ausgegeben. Das passt.
Etwas enttäuschend war jedoch 5 Wochen später das was mir der Postbote gebracht hatte: Ein Netzteil ohne weitere Umverpackung in einem etwa DIN A4 großen Plastikbeutel. Kein Wunder, daß mir beim Auspacken bereist ein paar Bruchstücke der sekundärseitigen Hochstromklemmen des Netzteils entgegen purzelten. Der andere Teil war bereits durch die löchrige Verpackung während des Transports „entflohen“.
Nachdem ich nur das „Innere“ des Netzteils benötige, ist der Transportschaden egal, denn das Alu-Gehäuse hat die Platine ja bestens vor Beschädigung geschützt.
Das hier ist das Schaltnetzteil (rechts oben die gebrochenen Anschlüsse)
Glücklicherweise hatte der indische Lieferant das Paket besser verpackt, als der Chinese. Hier kam das Netzteil in einem Karton an, der in einem weiteren stabilen Karton steckte, welcher mit schätzungsweise einer halben Rolle Klebeband komplett umwickelt war.
Das indische Netzteil war deutlich besser, als das chinesische. Es hatte eine Soft-Start-Funktion, einen temperaturgesteuerten Lüfter und eine deutlich ausgeklügeltere Elektronik, sowie hochwertigere Bauteile... von der größeren Leistung bei gleichen Abmessungen mal ganz abgesehen.
Beide Netzteile erhielten großzügige Schottky-Dioden am DC-Ausgang, sowie eine exaktere Einstellmöglichkeit durch einen geänderten Poti in dem geänderten Widerstandsnetzwerk der Spannungseinstellung, von vormals 95 V bis 128 V, auf nun 114 V bis 118 V. So kann nun die Ladeschlusspannung auf 50 mV exakt voreingestellt und auch der Spannungsabfall der Schottky-Diode von 0,35 V mitkompensiert werden.
Die Anpassung des China-Netzteils kostete nochmals 5,73 Euro an Bauteilen. Die Erweiterung der mittlerweile auch eingetroffenen Einschaltverzögerung mit der zusätzlichen Akustikschaltung, welche die markante Selbstauslöser-Tonfolge von Spiegelreflexkameras der 80er Jahre imitiert, dann die Spannungsdetektion und die Sicherheitsschaltung (zusammen mit einem der beiden Schütze) zur definierten Vermeidung von spannungsführenden Kontakten, schlug mit 13,78 Euro zu Buche. Zuletzt wurde in den beschafften ladeinfrastrukturseitigen Typ 2 Stecker ein unsichtbarer Kontakt und der für den Ladecontroller benötigten Codierwiderstand verbaut, zum Preis von immerhin, mich nahezu in den Ruin treibenden, 0,58 Euro.
Einbau
Natürlich halten diese Stege die Platinen nicht alleine; dazu später aber mehr.
Das nächste Photo rechts zeigt das Schaltnetzteil im eingebauten Zustand. Nun liegt der massive Kühlkörper oben. Gut erkennbar
ist die Zuleitung des Netzteils, die bereits angeschlossen ist; dazu das links am Bildrand sichtbare Gummikabel. Verbunden ist des weiteren schon die Zuleitung zur strombegrenzer-Schaltung, eine der schwarz-roten Zwillingslitzen, während die zweite Litze für das weitere Netzteil noch frei herum baumelt, ebenso wie das 230 V Spannungskabel der Akustik-Timer-Sicherheitsplatine. Nicht mehr zu erkennen ist der Anschluss zur LED, diese liegt unter dem verbauten Netzteil hinter dem schwarzen Plastik-Case rechts.
Sicherlich wundern Sie sich über die beiden Markierungen auf den Netzteil-Kühlkörpern, im eingebauten Zustand als durchgängiger Strich zu erkennen und jeweils links davon mit dem Text „BOX“ versehen. Was soll das bedeuten?
Erstmalig ist auch die sekundärseitige Verkabelung zum Akku im Bild oben links bzw. rechts durch die beiden schwarzen umflochtenen 2x 6 qmm Kabel zu sehen.
Das Photo rechts zeigt diese Klettbänder nochmals im Detail; dahinter erkennt man den Kühlkörper eines Netzteils und in Bildmitte den Ventilator samt Gitter.
„Ich bin Schönwetter-Biker und wer lädt bei Regen draussen? Ich niemals!“
Zum Abschluss noch ein paar vielleicht interessante Daten:
Letztlich habe ich knapp 502.- Euro an Bauteilkosten für den 3,6 kW Lader in meinem E-Motorrad Zero S 12,5 ausgegeben, der es nun erlaubt 3-phasig an jeder Typ 2 Ladesäule oder - zugegeben etwas grenzwertig - an einer extra abgesicherten 230 V Steckdose den 12,5 kWh Akku des Motorrads in 3,5 Stunden von komplett leer auf voll geladen zu katapultieren, bzw. es ermöglicht innerhalb von einer Stunde - z.B. Pause während einer Tour - eine zusätzliche Reichweite von 65 km zu erzielen.
Zum Arbeitsaufwand darf ich allerdings anmerken, daß für den gesamte Einbau incl. aller mechanischen und elektrischen Arbeiten etwa 70 Arbeitsstunden aufgewendet werden mussten; die vier Stunden zum Verfassen dieses Berichts nicht eingerechnet.
Insofern erübrigt sich hoffentlich die aufkeimende Frage von manch Zero Besitzer, der das hier las und dabei an einen Einbau auch in seine Maschine durch mich dachte.
Dipl.-Ing.
Thomas Scharpf