Interessengemeinschaft zur Förderung der Elektromobilität im Unterallgäu
 
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Erfahrungen als Außendienstmitarbeiter mit dem E-Auto
 
Thorsten Burkel, 53 Jahre alt und seit 16 Jahren Mitarbeiter der d.velop AG in Gescher hat hier seine persönlichen Erfahrungen als Außendienstmitarbeiter mit seinem E-Fahrzeug notiert. Da er der Meinung ist, dass dies teilweise stark mit Vorurteilen – unter anderem Reichweitenangst – verbunden ist und in der Praxis überhaupt kein Problem darstellt:
Die d.velop AG ist ein Softwarehersteller (Dokumentenmanagement) mit Wurzeln im Münsterland. Anfangs als Berater, Projektleiter und schließlich als Technical Evangelist (International) angestellt und somit viel bei Kunden vor Ort im nationalen und im internationalen Bereich tätig; versuche ich andere Menschen von unserer Software zu begeistern. Ob auf Veranstaltungen oder in den sozialen Medien versuche ich den Spirit unseres Unternehmens und die Software zu „predigen“.
Im beruflichen und privaten Kontext bringe ich so etwa 60.- 70.000 km im Jahr auf die Straße. Einen Großteil davon auf deutschen; darüber hinaus aber auf europäischen Straßen. Dabei bin ich viel in den Niederlanden, Belgien, Polen, Tschechien, Österreich, Schweiz, Italien und den nordischen Ländern unterwegs. Selbst zu COVID-19 Zeiten sind daraus in einem halben Jahr fast 15.000 km geworden.
Ist ein E-Auto bei 60.000 - 70.000 km im Jahr eine Option?
Mitte 2019 stand für mich die Frage nach einem neuen Firmenwagen an und ich interessierte mich zu der Zeit für Autos mit alternativen Antriebsformen. Schnell stand für mich fest, dass es kein Auto mehr mit einem Brennstoffmotor sein soll. Zusätzlich kamen die ersten Förderungen für Elektrofahrzeuge heraus und so wurde das Thema E-Auto immer interessanter. 0,5% Firmenwagenversteuerung, Kaufprämien des Staates und einen Zuschuss zur Leasingrate von meinem Arbeitgeber wegen der Vermeidung von CO2 ließen die Idee immer mehr wachsen und es stand eigentlich nur noch die Frage nach „Hybrid vs. E-Auto“ im Raume.
Wichtig zu der Zeit war für mich, dass ich wenigstens in eines der Coworking Offices unserer Firma elektrisch fahren könnte. Das nächst gelegene Office war jedoch 50 km von meinem Haus entfernt, was für ein Hybrid-Fahrzeug immer noch zu viel war. Ich wäre vielleicht noch hingekommen; fehlende Lademöglichkeiten hätten jedoch dazu geführt, dass ich zurück wieder auf Brennstoff angewiesen wäre. Unser Stammhaus hätte ich bei einer einfachen Fahrstrecke von 150 km eh nicht auf elektrischem Wege erreicht.
Auf der anderen Seite waren voll elektrische Autos noch sehr teuer und die Reichweite schien mir noch sehr gering. Was also tun? Die 0,5% „absahnen“ und nur halbherzig elektrisch fahren, oder in den sauren Apfel beißen und ein teures Auto kaufen, von dem ich gar nicht weiß ob es wirklich zu meinem Fahrprofil passt?
Also; ran an den Computer und geschaut, welches mein Fahrprofil überhaupt ist. Welche Wege fahre ich dienstlich; welche privat. Wo kann ich an den Strecken „tanken“ und wie sieht es allgemein mit der Ladeinfrastruktur aus. Viele neue Begriffe kamen auf mich zu und ich habe viel Zeit damit verbracht zu schauen, was es für mich bedeuten wird, ein E-Auto zu fahren. Hin und her übergelegt und dann doch für ein vollelektrisches Auto entschieden. Zwar immer noch mit dem Gefühl ein Wagnis einzugehen; aber doch sicher dass es „schon irgendwie gehen wird“.
Obwohl ich wusste dass Niemand etwas dagegen haben wird, fragte ich in unserer Firma ob voll elektrische Autos überhaupt gewollt sind. Eigentlich war die Frage tatsächlich überflüssig, da wir bereits drei vollelektrische Poolfahrzeuge hatten und der Bau von 10 Ladesäulen begonnen wurde – aber irgendwie war mir danach ein „Go“ für diesen „Plan“ zu bekommen.
Manchmal muss man den Sprung einfach wagen…
„Andersdenken“, „Wagnisse eingehen“, „Dinge mal von unterschiedlichen Perspektiven betrachten“ und ein gewisser Start-Up Spirit war schon immer im Geiste unserer Firma vorhanden und so viel natürlich die Antwort positiv aus. „Nur wer ausgetretene Pfade verlässt, hat das Potenzial, immer besser zu werden.“; ist ein Leitspruch von mir und meinen KollegInnen und nach diesem Motto bestellte ich also ein E-Auto! Ein Audi e-tron 55 sollte es werden.
Jetzt; Ende 2020 sehe ich mich bestätigt in meiner Entscheidung. Gut; die aktuelle Corona-Situation lässt viele Reisen nicht mehr zu; dennoch konnte ich diverse Fahrten; diverse längere Fahrten; machen und so meine Erfahrungen wachsen lassen.
Ob – vor Beginn der Pandemie – im europäischen Ausland oder quer durch Deutschland, ich spulte diverse Kilometer ab. Anfangs wurde noch jede Fahrt genauestens geplant. An welcher Ladesäule muss ich wie lange Laden; wo ist die nächste Säule (falls die geplante Säule besetzt ist); wie lautet Plan-B?; …
Mittlerweile plane ich die Fahrten gar nicht mehr. Anfangs war natürlich die Angst da; werde ich es bis zum Kunden schaffen oder muss ich das Auto irgendwo aufladen? Wie lange wird das dauern? Hat das Hotel eine Ladestation? Heute ist es deutlich entspannter. Das eingebaute Navi zeigt mir schon an, ob ich die Strecke in einem Zug schaffen werde oder ob ich zwischenladen muss. Es zeigt mir ja mittlerweile schon an, wo genau ich laden muss und ob die Säule frei ist.
Es gibt schon die ersten Hotels, die Lademöglichkeiten anbieten und selbst die Zeiten während des Ladens an der Autobahn kann ich entspannt für mein leibliches Wohl oder das beantworten von E-Mails nutzen. Lange dauert es eh nicht. Mehr als 30 Minuten stehe ich nie zum Laden.
Elektroauto fahren entspannt; aber nicht wegen der begrenzten Reichweite!
Seit ich das E-Auto fahre ist mein Reisen deutlich entspannter geworden. Ich brauche halt länger um von A nach B zu kommen. Das kommt aber hauptsächlich daher, dass ich langsamer und entspannter fahre. Nach wie vor könnte ich mit 200 km/h über die Autobahn fahren; ich würde mit meinem Wagen damit sogar mehr als 150 km weit kommen – WILL ich aber gar nicht mehr. Ich plane mir eben mehr Zeit für die Reise ein; so einfach ist das. Und wenn man es mal auf eine Fahrstrecke von 500 km rechnet, dann brauche ich jetzt eben 45 bis 60 Minuten mehr.
Die andere Seite der Medaille ist natürlich die Ladeinfrastruktur, die noch zu wünschen übrig lässt. Es ist heutzutage schon recht gut; aber es ist noch viel Luft nach oben. Die großen Anbieter von Hochgeschwindigkeitsladesäulen arbeiten wirklich hart daran die Lademöglichkeiten an den Hauptverkehrsstrecken (hauptsächlich an den Autobahnen) auszubauen; oft hapert es aber nicht daran, dass keine Säule da – oder frei ist – es hapert immer mal wieder daran, dass sie überhaupt funktioniert. Aber auch das ist mir erst wenige Male passiert – was dann aber schon recht ärgerlich ist.
Auch das vielzitierte Chaos in den unterschiedlichen Bezahlsystemen kann ich natürlich nachvollziehen. Allerdings muss man auch hier relativieren. Es gibt zwar immer noch eine Vielzahl an Anbietern von Ladekarten die unterschiedliche Preisgestaltungen haben; das betrifft jedoch Diejenigen, die auf jeden Cent achten wollen. Wenn ich immer das günstigste Angebot nutzen will, dann muss ich eine Phalanx von Ladekarten haben. Mit meinem „Verbrenner“ muss ich ja auch „immer nur Freitags zwischen 19 und 21:30 Uhr an der Tankstelle in 54km Entfernung tanken, weil die dann die Günstigste im Umkreis ist“. Wenn ich aber entspannt von A nach B kommen will, kann ich auch mit einer einzigen Karte auskommen.
Mir ist natürlich klar, dass ich als Firmenwagenfahrer ein gewisses Privileg habe. Der Anschaffungswert eines Autos hat für mich eine andere Bedeutung als Jemand, der ein Auto privat anschafft. Auch die eventuell anfallenden laufenden Kosten sind für mich Andere, als im privaten Bereich. Ich hoffe aber, dass ich als Nutzer auch dazu beitrage, die Elektromobilität voranzutreiben. Dadurch, dass vermehrt E-Autos gekauft und genutzt werden, werden eben auch vermehrt Stimmen laut, die die Infrastruktur, die Preisgestaltung oder andere Hemmnisse beklagen.
Man muss sich halt darauf einlassen
Abschließend und Zusammenfassen kann ich sagen, dass das Reisen für mich seitdem anders geworden ist. Ich nehme mir mehr Zeit um zu reisen; ich entschleunige mich. Meiner Arbeit hat das E-Auto keineswegs geschadet. Wie auch; es ist ja meine Entscheidung wann ich zu einer Reise aufbreche. Im Gegenteil; es hat mir viele tolle Gespräche gebracht. Sowohl privat; als auch dienstlich. Es ist eben noch ein „exotisches“ Thema: „E-Auto und Außendienst“; man muss sich halt darauf einlassen..
Thorsten Burkel
Sonntag, 8. November 2020
mehr als 60.000 km pro Jahr elektrisch als Aussendienstmitarbeiter
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